19. Nov. 2025 · 
MeldungGesundheit

An sechs von zwölf Geburtskliniken gibt es Kündigungen wegen des Hebammenvertrages

Die CDU ist besorgt, dass eine Unterversorgung in der Geburtshilfe drohen könnte. Gesundheitsminister Philippi sieht keinen Anlass und wenig Möglichkeiten einzugreifen.

Am 1. November ist bundesweit der umstrittene Hebammenhilfevertrag in Kraft getreten, gegen den freiberufliche Geburtshelferinnen im Vorfeld protestiert hatten. Jetzt wollte die CDU im Landtag in einer Dringlichen Anfrage von der Regierung wissen, ob sich die Befürchtungen bewahrheitet haben und eine Unterversorgung in der Geburtshilfe droht. Gesundheitsminister Andreas Philippi sieht keinen Anlass und wenig Möglichkeiten zum Handeln seitens der Landesregierung. Niedersachsen habe eine „gute bis sehr gute Versorgungsstruktur“, erklärte er: Nahezu einhundert Prozent der Niedersächsinnen könnten einen Kreißsaal in weniger als 40 Minuten Fahrtzeit erreichen. Auch rechne er mit ausreichend Nachwuchs in der Geburtshilfe: „Ich wünschte mir, wir hätten überall so viele Auszubildende wie bei den Hebammen.“ Eine Abfrage seines Ministeriums ergab: Von landesweit zwölf Einrichtungen, die überwiegend oder ausschließlich im Belegsystem arbeiten, haben sechs Häuser Kündigungen zu beklagen. „Betroffen sind das St.-Marienhospital Vechta (14 Beleghebammen, davon haben vier gekündigt), das Agaplesion Krankenhaus Neu Bethlehem Göttingen (sechs Kündigungen von über zwanzig Beleghebammen), das Krankenhaus Marienstift Braunschweig (von 12 Beleghebammen haben drei gekündigt), das Helios Albert-Schweitzer-Krankenhaus Northeim (elf Beleghebammen, eine Kündigung) und die Elbe-Jeetzel Klinik Dannenberg (eine Kündigung – laut Klinik nicht wegen des Hebammenvertrages). Die 21 Beleghebammen der Krankenhäuser Buchholz und Winsen haben ins Angestelltenverhältnis gewechselt und sind den Einrichtungen auf diesem Wege bis auf eine Ausnahme erhalten geblieben.“ Nur das Göttinger Krankenhaus habe mitgeteilt, dass der Betrieb der Kreißsäle gefährdet sei. Eine Unterversorgung drohe trotzdem nirgends, da weitere Versorger in der Nähe bereitstünden.

Die CDU-Sozialpolitikerin Laura Hopmann wies darauf hin, dass das Marienstift eingesprungen sei und den Hebammen die Präsenzzeiten im Kreißsaal vergüte, wenn keine Schwangeren da sind. Nach dem neuen Vertrag bezahlt die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) solche Bereitschaftsdienste nicht. Hopmann fragte, ob es denkbar sei, dass das Land diese „Überbrückungsfinanzierung“ übernehme, bis die Hebammen Nachbesserungen am Vertrag verhandelt haben. Dazu sieht Philippi keine Notwendigkeit. Es gebe für die Beleghebammen ja die Möglichkeit, in ein festes Arbeitsverhältnis zu wechseln. Allerdings hatte Anja Samborski von der Braunschweiger Hebammengemeinschaft immer wieder betont, dass ein Angestelltenverhältnis für sie nicht in Frage kommt. Sie habe sich bewusst für die Freiberuflichkeit entschieden, um weniger Frauen gleichzeitig betreuen zu müssen. Genau dies ist auch das erklärte Ziel des Hebammenhilfevertrages: Die Eins-zu-Eins-Betreuung zu stärken. Im Angestelltenverhältnis gibt es keine Obergrenze, wie viele Schwangere eine Geburtshelferin gleichzeitig betreuen darf.

Der Hebammenverband habe schon begonnen nachzuverhandeln, berichtete Philippi. Zunächst müsse ein „neutraler Gutachter“ und „objektiver Schlichter“ gefunden werden. Von „massiven Gehaltseinbußen“ der Beleghebammen könne keine Rede sein. Mehrfach betonte der Gesundheitsminister, dass die Vertragspartner die Hebammenverbände und die GKV seien: Die Politik habe hier kaum Einflussmöglichkeiten. Laura Hopmann fragte, ob er mit mehr oder weniger bürokratischem Aufwand durch den Hebammenhilfevertrag rechne. „Deutlich weniger Bürokratie“, antwortete Philippi. In einem Bericht der "Braunschweiger Zeitung" beschreiben die Praktiker es anders: Marienstift-Geschäftsführer Jan Wolff spricht von einem „völlig übertriebenen Dokumentationsaufwand“, die Hebammengemeinschaft von „Bürokratiewahnsinn“. Die AfD-Gesundheitspolitikerin Delia Klages bohrte mehrfach nach, ob die Versorgung nicht doch gefährdet sei. Zum Schluss fragte sie nach einem Zusammenhang mit der Sterblichkeit von Säuglingen und Frauen im Wochenbett. Philippi beharrte: Von einer Gefährdung könne man erst sprechen, wenn kein Kreißsaal innerhalb von sechzig Minuten zu erreichen sei. Das sei in Niedersachsen nicht der Fall. „Es geht Ihnen nur darum, Fragen zu stellen, die die Menschen draußen verunsichern“, hielt er Klages entgegen.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #206.
Anne Beelte-Altwig
AutorinAnne Beelte-Altwig

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