Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte und Umweltminister Christian Meyer (beide Grüne) erneuern ihre Aufforderung an die Bundesregierung, die Länder bei der Ausgestaltung der künftigen Wolfspolitik eng mit einzubeziehen. Insbesondere die „wolfserfahrenen Länder“, zu denen Niedersachsen zähle, sollten in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden, erklärte Agrarministerin Staudte im Anschluss an die jüngste Tagung des niedersächsischen Dialogforums „Weidetierhaltung und Wolf“, die am Donnerstag in Hannover stattgefunden hat. Sie forderte die zuständigen Bundesminister Alois Rainer (Agrar, CSU) und Carsten Schneider (Umwelt, SPD) auf, die vermeintlichen Unstimmigkeiten zwischen den Häusern zeitnah auf Ministerebene zu klären und nicht der Fachebene zu überlassen. Zudem zeigte sich die Landesministerin irritiert darüber, dass die CDU-Landtagsfraktion scheinbar Kenntnis über den Entwurf des neuen Bundesjagdgesetzes hat, die Landesregierung aber nicht. Sie bezieht sich damit auf Äußerungen des agrarpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Marco Mohrmann, der im Landtagsplenum Andeutungen zum Verfahrensstand und den Inhalten der Gesetzesnovelle geäußert hatte. Umweltminister Meyer wundert sich zudem über den Zeitplan des Bundesagrarministers, der zuerst innerhalb der ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung die Anpassungen an die veränderte FFH-Richtlinie im Bundesrecht umsetzen wollte, nun aber die Novelle auf Mai oder Juni des kommenden Jahres verschoben habe. Staudte erklärte, die Zeit für eine Anpassung des Landes-Jagdgesetzes an mögliche Änderungen im Bundesgesetz wäre gerade günstig, da sich das Landesparlament ohnehin in den kommenden Monaten mit der Novellierung dieses Gesetzes beschäftigen wird.

Der Anpassungsbedarf im Landes-Jagdgesetz dürfte sich in Niedersachsen allerdings in Grenzen halten, weil der Wolf dort ohnehin schon seit einigen Jahren aufgeführt wird. Lediglich dann, wenn der Bundesgesetzgeber zahlreiche Detailbestimmungen zum Wolf regeln möchte, könnten sich umfangreichere Änderungsbedarfe auch im Landesgesetz ergeben, erklärte Umweltminister Meyer. Mit größerer Neugier erwartet man in Hannover derweil, wie die naturschutzrechtlichen Ausnahmebestimmungen zur vereinfachten Entnahme von Problemwölfen künftig ausgestaltet werden sollen. Niedersachsens Landesminister pochen auf möglichst weitreichende Freiheiten für die Länder. Umweltminister Meyer spricht in diesem Zusammenhang immer wieder von sogenannten „Interventionszonen“, in denen nach seiner Vorstellung dann Problemwölfe außerhalb einer Schonzeit deutlich vereinfacht geschossen werden dürften. Dies solle dann unabhängig von den weiterhin bestehenden Schnellabschuss-Verfahren gelten. Meyer zeigte sich offen dafür, die Küstenregionen zu so etwas wie wolfsfreie Zonen zu erklären. Er sagte: „Die Küstendeiche könnten eine Region sein, wo der Schutz nicht verhältnismäßig ist.“
Wie die verschiedenen Areale tatsächlich definiert werden sollen, bleibt unterdessen ungeklärt. Das im Zuge der Schnellabschussverfahren entwickelte Vorgehen zur Ausweisung von Problemregionen ist seinerzeit vom Oberverwaltungsgericht mit der Begründung kassiert worden, die Ausweisung dürfe nicht schematisch ablaufen. Den Landesministern schwebt vor, die Kriterien für die Ausweisung dieser Gebiete im Einvernehmen mit dem Dialogforum zu erarbeiten. Jörn Ehlers, Landvolk-Vizepräsident und Vertreter der Agrarseite im Wolfs-Dialogforum, appelliert in diesem Zusammenhang aber an die Landesregierung, einen solchen Plan bereits vorzubereiten. Er wolle kein weiteres Jahr dadurch verlieren, dass die Arbeit an den Kriterien erst nach einer Entscheidung auf Bundesebene begonnen wird. Agrarministerin Staudte erklärte, das Dialogforum werde regulär im Februar wieder tagen. Sollte in der Zwischenzeit aber ein Zeichen aus Berlin kommen, wolle man sich kurzfristig in einer Videokonferenz zusammenschalten.
Niedersachsens Landesregierung plant unterdessen, die Herdenschutz-Förderung weiter auszubauen. In drei Punkten habe man sich auf Ausweitungen der bisherigen Angebote verständigt, erklärt Umweltminister Meyer. So will er per Erlass regeln, dass eine Landesförderung künftig nicht nur für Weidetiere auf Grünland gelten soll, sondern auch für Schafe, Ziegen oder andere Tiere, die beispielsweise auf Weihnachtsbaum- oder Obst-Plantagen, unter Freiflächen-Photovoltaikanlagen oder in Freilaufbereichen gehalten werden. Aufgrund vermehrter Wolfsangriffe auf Rinder und Pferde will die Landesregierung zudem die Gebietskulisse für die Förderung von Zaunanlagen ändern. Statt nach zwei Rissereignissen auf Rinder oder Pferde soll künftig bereits bei einem Riss eines Großtieres eine Förderung möglich sein. Durch diesen Schritt verdreifache sich die förderfähige Fläche, erklärte Meyer. Außerdem möchte die Landesregierung eine Förderung von Herdenschutzmaßnahmen für mittelgroße Betriebe vereinfachen. Seit Einführung der neuen Schaf- und Ziegenprämie, die ab einer Herdengröße von zehn Tiere gilt, hätten insbesondere die Betriebe mit bis zu 50 Tieren keine Förderung mehr beantragt. Wie Ehlers vom Landvolk berichtete, sei der bürokratische Aufwand im Verhältnis zur Förderung zu hoch gewesen. Betriebe mit einer Herdengröße zwischen zehn und 50 Tieren sollen deshalb künftig wieder auf die alte hundertprozentige Zaunbauförderung zugreifen können, die aktuell noch für die Kleinbetriebe gilt. Der Änderung der entsprechenden Richtlinie muss das Finanzministerium noch zustimmen.
Jörg Zidorn vom Verein „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe“, erstmals als Sprecher der Naturschutzseite im Dialogforum dabei, nannte das Herdenschutz-Programm des Landes „absolut vorbildlich“. Er erläuterte zudem die Zurückhaltung der Wolfsschützer bezüglich des jüngsten Schnellabschussverfahrens in Cuxhaven. So vertritt er die Position, dass der Zustand der dort vom Wolf gerissenen Tiere darauf schließen lasse, dass der natürliche Schutz durch die Herde nicht gegeben gewesen sei und der Wolf daher lokal als Problem angesehen werden musste. Zidorn fordert von den Weidetierhaltern im Land, die vorhandenen Förderprogramme zu nutzen, um entsprechenden technischen Herdenschutz aufzubauen.


