
Die schwere Panne bei der Staatsanwaltschaft Hannover, die im Juni dieses Jahres bekannt wurde, beschäftigt nun die Landtagsgremien. Bei einer erneuten Unterrichtung des Justizministeriums im Rechtsausschuss des Parlaments wurden Ungereimtheiten deutlich. Es geht um das vom Landesdatenschutzbeauftragten verhängte Bußgeld gegen den VW-Konzern in Höhe von 4,3 Millionen Euro. Dieses konnte am Ende nicht vollstreckt werden, weil der zuständige Staatsanwalt in Hannover einen Beschwerdeschriftsatz nicht selbst unterschrieben, also einen offenbar unheilbaren Formfehler begangen hatte. Inzwischen stellt sich heraus, dass das Justizministerium über dieses politisch heikle Verfahren – es geht um ein hohes Bußgeld gegen ein Unternehmen, das teilweise im Landesbesitz ist – erst sehr spät informiert wurde. Rückblickend mag das für Ministerin Kathrin Wahlmann entlastend sein: Je weniger sie wusste, desto weniger kann sie mit den Pannen in Verbindung gebracht werden.
Am 17. September hatte es noch so ausgesehen, als ob Berichte der Generalstaatsanwaltschaft Celle über das Verfahren gar nicht im Justizministerium angekommen, oder inzwischen auf merkwürdige Weise verschwunden waren. Das Ressort stellte umfangreiche Nachprüfungen an, und Referatsleiterin Ilva Gelmke berichtete am 24. September, man sei nach intensiver Recherche erst am Vortag doch auf die vermeintlich verschwundene Mail gestoßen. Diese sei in der Geschäftsstelle eines Referats des Ministeriums falsch abgelegt worden – in einen Ordner für „Landtagsangelegenheiten“, in den später offenbar nicht mehr geschaut worden war. Gelmke musste mehrere Fehler, Versäumnisse und Unklarheiten eingestehen: Einen ersten Sachstandsbericht vom Januar 2024 hatte die Staatsanwaltschaft Hannover offenbar nicht an die Generalstaatsanwaltschaft Celle – die im Kontakt mit dem Ministerium steht – geschickt. Der zweite Bericht gelangte im November 2024 an das Ministerium, löste dort aber Ratlosigkeit aus, weil unklar war, welches von drei möglichen Fachreferaten für das überaus heikle Thema zuständig sein soll. Ein Aktenvorgang wurde daraufhin offenbar nicht angefertigt. Ähnliches geschah nach Eintreffen des dritten Berichts in dieser Sache, nämlich im März 2025. Eine Mail der Generalstaatsanwaltschaft Celle tauchte erst nach langer Suche im Ministerium auf, zwischenzeitlich galt „die Spur als verloren“, dann aber wurde sie in einem Ordner entdeckt. Im März 2025 wurde ebenfalls kein Vorgang angelegt, erst der vierte Bericht Ende Mai 2025 fand auch formal Eingang in die ministeriumsinterne Kommunikation – obgleich seine Aussage fälschlicherweise so zugespitzt wurde, dass nach dem gravierenden Formfehler des Staatsanwalts die Beschwerde förmlich schon zurückgenommen worden sei. Das sei aber noch nicht der Fall gewesen. „Es gab nach den Berichten keine Veranlassung, sich aktiv einzuschalten“, erklärte Ministerbüroleiter Heiko Leitsch im Rechtsausschuss.

Tatsächlich soll Staatssekretär Thomas Smollich erst am 17. Juni formal Kenntnis von dem Vorgang genommen haben, Ministerin Wahlmann sogar erst am 7. Juli, zumindest folge das aus einem Vermerk in der elektronischen Akte. Die ersten Berichte, so im Politikjournal Rundblick, erschienen aber schon am Abend des 11. Juni. „Wie kann es sein, dass in einem so heiklen Vorgang das Ministerium und besonders die Spitze des Ministeriums nicht eingebunden werden, sondern erst eine Presseanfrage die Informationskette auslöst“, fragt Jens Nacke (CDU). Volker Bajus (Grüne) widerspricht und hält der CDU vor, sie suche krampfhaft nach politischer Einflussnahme auf das Verfahren. „Die hat es aber nicht gegeben, es gab nur menschliche Fehler“, meint Bajus und erklärt, nach dem Vortrag von Gelmke gebe es „keine weiteren Fragen“. Das sieht zumindest die CDU wohl anders.
Eine Frage ist in der Ausschusssitzung nicht erörtert worden: Wie konnte der Staatsanwalt die Unterschrift unter diesen Beschwerdeschriftsatz vergessen – wenn doch auch ihm klar gewesen sein muss, wie folgenschwer und politisch heikel das Bußgeld gegen den VW-Konzern sein würde? Hätte er nicht gerade in diesem Fall besonders peinlich darauf bedacht sein müssen, jede formale Kleinigkeit einzuhalten? Und gilt die besonders Sorgfalt und Gründlichkeit dann nicht auch für alle weiteren Dienststellen, die mit der Aufsicht über den Fall betraut waren?


